Schreiben, Spielen, Übersetzen
Spielerische Annäherung an das Übersetzen
Projekt von Alexandra Berlina
Kurzübersicht
Kinder und Jugendliche nähern sich über verschiedene Schreib- und Theaterspiele dem Übersetzen. Wo hört das Spielen auf, wo fängt das Übersetzen an?
“Deutsch ist wie Lego und Russisch wie Knete“ Schüler·in
Workshopidee
Man kommt einander und dem Übersetzen nach und nach näher. Los geht es mit Theaterspielen – zum Kennenlernen, Lockermachen und gegenseitigem Applaudieren. Nebenbei erfahren die Teilnehmenden, was für Bücher die anderen lesen, welche Erfahrungen sie mit dem Übersetzen haben und vor allem wie sich überschwängliches Lob anfühlt – und das brauchen Übersetzer·innen!
Die Teilnehmenden entfalten ihre Superkräfte, führen ein Tischgespräch über Tische und sammeln dabei Ideen dazu, was am Übersetzen besonders schön und besonders schwer ist. Vielleicht kann es ja sogar das Gleiche sein? Eine Dolmetschübung in Anlehnung an Improvisationstheater hilft, den Migrationsalltag mit Humor darzustellen. Auch Lego hat etwas mit Übersetzung zu tun: Lässt sich ein seltsamer Gegenstand so prägnant beschreiben, dass die anderen gleich erraten, um welchen es sich handelt?
Nach und nach nähert man sich der eigentlichen Übersetzung. Zuerst aus dem Deutschen ins Deutsche – schließlich lässt sich jede Sache auch anders umschreiben. Dann schlüpft die Gruppe in die Rollen von Raymond Queneau und Joseph Brodsky: Es werden Stilübungen durchgeführt und Gedichte anhand nur der ersten und der letzten Zeile „übersetzt“.
Die letzte Übung, bevor es ans Eingemachte geht, heißt „Einen Text umspielen“: Wenn man einen Text oder auch nur einen Satz ganz besonders mag, kann man alles Mögliche damit anstellen – ihn illustrieren, weiterschreiben, nachspielen, vortanzen, vorsingen, als Comic zeichnen… Oder eben übersetzen.
Am Ende wird schließlich tatsächlich übersetzt; dann werden Übersetzungen diskutiert. Echte Textarbeit also, wie auch in jeder professionellen Übersetzungswerkstatt. Die Methode „Anonyme Absätze“ sowie die Theaterübungen am Anfang sorgen dafür, dass auch sensibelste Seelen jede Kritik als konstruktiv erleben. Am Ende schenken sich die Teilnehmenden translatorische Lesezeichen als Andenken (s. die Methode „Mitgebsel“).
Die Kursleitung bemüht sich nach Kräften, nicht zu dozieren, sondern zu moderieren, und für Themen, die sich spontan ergeben, offen zu sein.
“Wenn Übersetzer Geheimagenten wären, wäre ,Kontext’ das Codewort!“ Schüler·in
Format:
- z.B. als Ferienworkshop oder an Schulen. Eignet sich auch gut als Input und Inspiration für Theatertruppen und Gruppen für kreatives Schreiben
Gruppenstärke und Alter:
- 6-16 Teilnehmer·innen
- ab 10 Jahren bzw. ab 5. Klasse (manche Methoden eignen sich ab 8 Jahren)
Ziele und Wirkungen:
- plastisch Beschreiben lernen
- die Herausforderungen und Freuden des Übersetzens kennenlernen
- das Zauberwort „Kontext“ in vielen Facetten erleben
- semantische und syntaktische Umformulierung üben
- mehr Ideen durch Zusammenarbeit entfalten
- andere Übersetzungsbegeisterte kennenlernen
- das Kontinuum zwischen Übersetzen, Schreiben und Theater ausschöpfen
- Spielerische Freude am Umgang mit Sprache gewinnen
- Auseinandersetzung mit der Fremdsprache
- Sprach- und Stilbewusstsein in Zielsprache schärfen
- Förderung des kreativen Denkens und Ausdrucks
- Sensibilisierung für Form, Rhythmus, Gestaltung, Ton und Wirkung
- Lyrische Textanalyse
- Vielfalt der sprachlichen Möglichkeiten erschließen
- Wirkungsäquivalenz vs. Texttreue ausloten
Dauer:
- z.B. 1 Projekttag
- um alle Methoden anzuwenden: insgesamt mindestens 7 Stunden (auf mehrere Sitzungen verteilt)
- natürlich kann man auch nur einzelne Methoden herausgreifen
Textmaterial:
- Raymond Queneaus Stilübungen in deutscher und evtl. anderer Übersetzung (Methode „Stilübungen“)
- diverse Gedichte auf Deutsch und Russisch (Methode „Finde die Mitte“)
- ein Text in der relevanten Ausgangssprache zum gemeinsamen Übersetzen (Methode „Anonyme Absätze“)
Weiteres Material:
- Stundenfutter und Pappbecher (für Leitungswasser) für Teilnehmende, die ihren Proviant vergessen haben (und damit die Motivation bestehen bleibt)
- Für manche Übungen wird mehr Material benötigt, s. Beschreibungen
Setting:
- Ein Raum mit einem Tisch, an dem alle Platz finden
- Für manche Übungen werden zusätzlich ein paar Quadratmeter freier Raum oder ein Bildschirm/Beamer benötigt, s. Beschreibungen
Räumliche Voraussetzungen:
- Raum entsprechend der Gruppengröße mit Platz zur freien Bewegung im Raum
Vorbereitung/Aufwand:
- Raumsuche
- je nach Methode 5-10 Minuten Recherche
- Ausdrucken von Arbeitsblättern
Nachbereitung:
- Die gemeinsame Übersetzung sowie die Fotos wurden an die Teilnehmenden bzw. ihre Eltern verschickt.
- Falls Teilnehmende einverstanden, einen Email-Verteiler / Messenger-Gruppe erstellen: Vielleicht bleibt man ja in Kontakt?
Sprachen:
- hier: Russisch und Deutsch – lässt sich auf andere Sprachen übertragen
“Deutsch ist schön genau, und man kann Wörter unendlich zusammenkleben!“ Schüler·in
“Maschinen werden nie Gefühle übersetzen“ Schüler·in
Über den Workshop von Alexandra Berlina
Die Werkstatt Schreiben, Spielen, Übersetzen, die im Mai 2023 in Düsseldorf durchgeführt wurde, richtete sich an Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 mit Russisch als Herkunfts-/Familiensprache – aber im Grunde eignet sich das Konzept für jede Sprachkombination. Ein Teil der Gruppe traf sich für zwei Stunden bei der Kursleitung zu Hause. Dabei wurden der Wissens- und Interessensstand sowie die sinnvollere Werkstattsprache ermittelt. Es wurden auch mehrere Übungen verkürzt ausprobiert, um sie für die eigentliche Werkstatt zu optimieren.
Im Mai 2023 fand dann eine fünfstündige Session in der Bücherei Düsseldorf-Flingern statt, die netterweise einen Konferenzraum zur Verfügung gestellt und auch Werbung für das Event gemacht hat. (Fast alle Anmeldungen kamen aber über russischsprachige soziale Netzwerke: Diaspora-Netzwerke sind eine wichtige Quelle, wenn man mit Herkunftssprecher·innen und Migrant·innen arbeiten möchte.) Manche Teilnehmer·innen waren 10 und manche 14; manche sprachen deutlich besser Deutsch und manche Russisch (es waren sowohl Neuankömmlinge als auch Herkunftssprecher·innen mit passiven Russischkenntnissen dabei) – das Ziel war also, Methoden zu entwickeln, die in einer so gemischten Gruppe funktionieren und allen Spaß machen.
Für die „echte“ Übersetzungsarbeit (Methode „Anonyme Absätze“) wurde „Der erste Kriegstag“ benutzt: ein kurzer Text über den Krieg in der Ukraine, anonym auf Russisch von einem 15-jährigen Mädchen aus Moskau im Antikriegsmagazin ROAR veröffentlicht.
Der Workshop wurde in einem Französisch-Grundkurs des 11. Jahrgangs an einem Gymnasium in Brandenburg angeboten. Die Workshop-Inhalte wurden in Form eines Aushangs im Schulgebäude und auf der Webseite der Schule präsentiert.
“Wie schreibt man denn ‚Glas‘, mit einem S oder zwei? Ach egal, ich schreibe ‚Becher‘.“ Teilnehmer·in
Über Alexandra Berlina
Dr. Alexandra Berlina übersetzt aus dem Russischen und Englischen. In Brodsky Translating Brodsky: Poetry in Self-Translation untersucht sie die englischen Selbstübersetzungen des Dichters. Veröffentlicht hat sie in letzter Zeit u.a. Michail Bulgakows Der Meister und Margarita sowie Das Hundeherz (2020/2023), Alexei Nawalnys Schweigt nicht! (2021) und Bel Kaufmans Die Abwärtstreppe hoch (2022). Ihre Artikel zum Übersetzen, Videolesungen und mehr findet man auf www.alexandra-berlina.de. Alexandra kann für Übersetzungen sowie Lesungen und Veranstaltungen gern angefragt werden: Kontakt hier.
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Methode "Stilübungen nach Queneau"Vorschau/Download
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Methode "Superkräfte"Vorschau/Download
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Methode "Tischgespräche: Homonymie" (sprachenunabhängig)Vorschau/Download
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Bilder zur Methode "Tischgespräche: Homonymie"Vorschau/Download
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Methode "Verflixt und verdolmetscht"Vorschau/Download
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Methode "Mitgebsel"Vorschau/Download
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Methode "Schweres, Schönes"Vorschau/Download
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Methode "Stille Post - einsprachig"Vorschau/Download
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Methode "Anonyme Absätze"Vorschau/Download
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Methode "Einen Text umspielen"Vorschau/Download
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Methode "Legos und Logos"Vorschau/Download
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Methode "Linke Ecke, rechte Ecke" (sprachenunabhängig)Vorschau/Download
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Methode "Finde die Mitte nach Brodskij"Vorschau/Download
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