Vom Text zur (Buch-)Kunst und zurück
Übersetzen von Geschichten in Bilder
Projekt von Maria Meinel und Nancy Jahns
Kurzübersicht
In diesem mehrtägigen Projekt mit Kindern im Grundschulalter wird (Fremd-)Sprache in Bilder übersetzt – und Bilder zurück in Text.
Zunächst wird dem Klang einer fremdsprachigen Geschichte gelauscht, den Lauten und Rhythmen nachgespürt, den Stimmungen. Die beim Hören skizzierten Assoziationen dazu werden später druckgrafisch umgesetzt. Schließlich werden die entstandenen Bilder zu einer Geschichte montiert und, mit eigenem Text versehen, als Buch oder Leporello gestaltet.
Daran anschließen kann sich ein Reflektieren über verschiedene Erzählweisen und Bildsprachen und wie sie eine Geschichte bestimmen.
“Agua klingt viel weicher als Wasser” Teilnehmerin
Workshopidee
Wie lässt sich eine gehörte Geschichte in eine visuelle „übersetzen“? Was erzählen die entstandenen Bilder? Welche Geschichte erzählen wir dazu? Das soll in diesem Workshop künstlerisch erkundet werden.
An mehreren Tagen beschäftigen sich die Teilnehmer·innen im Grundschulalter mit Geschichten (hier: auf Spanisch und auf Deutsch – Fremdsprachenkenntnisse sind nicht erforderlich) und deren Bildgestaltung.
Ablaufplan (abwandelbar):
Tag 1:
Nach einführenden spielerischen Betrachtungen zum alltäglichen Übersetzen von Wörtern und Dingen (“Sag’s mit anderen Worten”) und zum Übersetzen von Literatur werden zwei Bücher vorgestellt, die aus dem Spanischen übersetzt und ganz unterschiedlich illustriert wurden. Was erzählen die Bilder zum Text?
Dann wird ein Abschnitt des Originalbuches (in diesem Fall auf Spanisch) vorgelesen. Wie wirkt das Gehörte auf uns? Wie fühlt es sich an? Verstehen wir einzelne Wörter? Wir spüren nach: Wie „hart“ oder „weich“ oder „wellig“ hören sich z.B. Wörter für Wasser in verschiedenen Sprachen an? agua – aigua – av – ma – woda – water – Wasser. Bestimmt bringen einzelne Teilnehmer Wasswörter aus ihren Muttersprachen mit und bereichern die Sammlung.
Im Anschluss liest die Leitung denselben Abschnitt langsam auf Deutsch. Die Kinder spüren dem Gehörten nach und halten ihre eigenen Assoziationen in Skizzen fest. Dabei kommen auch schon die ersten Ideen für Geschichten.
Tag 2:
Bevor wir weiter an den eigenen Geschichten arbeiten, werden verschiedene Druck- und andere Techniken probiert, mit denen wir die entstandenen Zeichnungen in Bildergeschichten übersetzen können. Walzen- und Pappdruck, Gummidruck, Linol, Monotypie, Aquarell. Ausgelotet werden Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Verfahren. Das ist ein spannender Prozess. Am Ende des Tages hat sich jede/r auf ein für
die eigene Geschichte geeignetes Verfahren festgelegt. Mit den jüngeren Kindern empfiehlt sich der einfachere Pappdruck.
“Was, so viele Wörter für Regen?” Teilnehmerin
Tag 3:
Jetzt wird fleißig hergestellt: Wir stellen die benötigten Druckstöcke fertig, mischen Farben, drucken und walzen die Hintergründe. Zu hören ist ein emsiges „Sirren“. So klingt es beim Walzen, wenn Druckfarbe die richtige Konsistenz und Dicke hat. Auch Monotypien entstehen. Die jüngste Teilnehmerin überträgt ihre Zeichnung auf Japanpapier und wird am nächsten Tag aquarellieren. Die Bildergeschichten bekommen Gestalt. Wir feilen gedanklich an den Texten.
Tag 4 und 5
Wir beenden die Illustrationen und übersetzen sie zurück in eigene kleine Geschichten. Ob – je nach Altersstufe und Kontext – einzelne Wörter, kurze Sätze oder ganze Geschichten, geschrieben oder gedruckt: die Texte sollen zu den Geschichten passen, sie ergänzen, nicht zu viel erzählen, denn: Die Bilder haben ihre eigene Sprache gefunden.
In einem nächsten Schritt entstehen gebundene Hefte und Leporellos. Nach diesem letzten Arbeitsschritt werden die Arbeiten gemeinsam angeschaut. Hier kann über Intentionen und Ergebnisse gesprochen werden, und darüber, wie unterschiedlich die verschiedenen graphischen Erzählweisen wirken, wie sie eine
Geschichte bestimmen und bereichern, was noch „sichtbar“ wird (Emotionen). Lohnend ist auch eine Betrachtung der Walzen (was „merken“ sie sich und geben es beim Abrollen immer wieder) und der Druckstöcke (Druckstock vs. Abdruck, was bleibt?, was „verschwindet“?, alles ändert die Richtung etc.).
In einem abschließenden Gespräch erzählen die Teilnehmer·innen von ihren Eindrücken.
“Toll war, dass wir morgens immer erst was Spanisches gehört haben, bevor es losging. Da war man wieder in seiner Geschichte drin.“ Teilnehmerin
Format:
- 5-tägiger Workshop in einer Gruppe/Klasse
- an Schulen bzw. in Kunstwerkstätten/Galerien mit entsprechender Ausstattung
Gruppengröße:
- 10-15 Kinder (mehr sind möglich, wenn genügend Arbeitsplatz vorhanden ist)
- der Workshop ist auch mit Kindern und Jugendlichen der Mittel- und Oberstufe
durchführbar
Ziele und Wirkungen:
- Auditive Wahrnehmung einer fremden Sprache (Klang, Rhythmus; wie fühlt sich das an; verstehen wir einzelne Wörter?)
- freies Assoziieren zu einem vorgelesenen Text (welche Bilder kommen in den Kopf?)
- Festhalten der assoziierten Bilder und Stimmungen in Zeichnungen; ggf. später auf eine relevante Auswahl beschränken (was ist wichtig/ was braucht es nicht)
- Finden einer geeigneten Technik für die Umsetzung (Sensibilisierung für die Wirkungen verschiedener Druck- und Maltechniken; was lässt sich damit umsetzen, wie gestalte ich Hintergründe; wie viel Platz braucht es für Text etc.)
- Ergänzung der entstandenen Arbeit(en) mit eigenem Text (bewusstes Rückübersetzen von Bild in Text
- Sensibilisierung für die Wirkung von Kürze und Dichte von Texten (Übung im Verknappen)
- Nachdenken über Bild und Text als einander ergänzende Narrative, die jeweils ihren eigenen Wirkungsraum haben/brauchen (Bilder sind selbst Geschichtenerzähler)
- Produktion eines gemeinsamen Buchs, Leporellos oder Bildes
Dauer:
- 5 Workshoptage à 4-5h
Räumliche Voraussetzungen/Setting:
- genügend Raum/Arbeitsplätze für alle Teilnehmenden (Klassenraum/Werkraum etc.)
- genügend Licht
Ausstattung:
- Tische, Stühle
- Skizzenblätter, verschiedene Papiere, Bleistifte, Scheren, Cuttermesser, Werkzeuge zum Stanzen/Prägen etc., Pappe, Moosgummi, verschiedene Druckfarben und -platten (für Linoldruck, Monotypie – je nach Möglichkeiten), Softcut-Matten, Walzen
- ggf. Tusche, Aquarellfarben etc.
- Buchstabenstempel/Lettern
Vorbereitung:
- Bücher und Material besorgen
- Tische vorbereiten (Klecksschutz)
Sprachen:
- sprachübergreifend, Fremdsprache der Wahl, Deutsch, Bildsprache
Material:
- Buch “Vom Leben der Tiere. Wie sie handeln, wie sie fühlen” von Pablo Salvaje und Mia Cassany (Prestel Verlag, München 2017)
- Buch “Der Tag, an dem ich ein Vogel wurde” von Ingrid Chabbert und Guridi (Diogenes, Zürich, 2022)
- Video zur Inspiration bei der Arbeit mit den Büchern von Pablo Salvaje
“Eine Welle später …” Zeile einer Teilnehmerin
Über den Workshop von Maria Meinel und Nancy Jahns:
Konzipiert und durchgeführt wurde der Workshop in zwei Formaten:
1. einmal wöchentlich in zwei Flexklassen (1./2. Klasse gemischt) im Projekt “KlasseKunst” des VdmK Brandenburg sowie
2. als Ferienprojektwoche für Kinder und Jugendliche in der Kinder- und Jugend-Kunst-Galerie Sonnensegel, beide in Brandenburg (Havel).
Entstanden sind (1) ein Leporello je Klasse mit den gesammelten Arbeiten der Kinder, (2) verschiedene Faltbücher, Leporellos und ein großes Aquarell.
Zur Website der Galerie Sonnensegel geht es hier.
“Eine wunderbare Arbeitsatmosphäre voller Neugier und Experimentierfreude hat unseren Buch- und Übersetzungsworkshop getragen. Danke an alle Beteiligten und an Maria Meinel, die uns sprachkundig begeistert hat.“ Lehrkraft Nancy Jahns
Über Maria Meinel:
Maria Meinel ist studierte Literatur- und Sprachwissenschaftlerin. Sie arbeitete einige Jahre als Dolmetscherin und Dozentin in Barcelona. Heute lebt sie in Halle an der Saale, übersetzt Prosa, Sachbücher, Essays und Lyrik aus dem Englischen, Spanischen und Katalanischen, moderiert, unterrichtet und schreibt Essays und andere Texte, meistens über Kunst und Fotografie.
Maria Meinel kann für Veranstaltungen und Fortbildungen z.B. in Schulen angefragt werden: Kontakt hier.
Über Nancy Jahns:
Nancy Jahns, geboren in Stendal, ist bildende Künstlerin. Sie erlangte ihr Diplom an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein, wirkte als Kuratorin, leitete Kunstprojekte und arbeitet als Dozentin und Kursleiterin. Sie ist Herausgeberin eigener Künstlerbücher in der edition sand. Ihre Arbeit ist regelmäßig in Ausstellungen zu sehen, sie erhielt zahlreiche Stipendien.
Nancy Jahns kann für Veranstaltungen und Fortbildungen z.B. in Schulen angefragt werden: Kontakt hier.
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Methode "Übersetzen - oder was wir im Alltag (unbewusst) machen"Vorschau/Download
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Methode "Fremde Klänge - ein lautmalerisches Nachspüren"Vorschau/Download
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Methode "Pappdruck – und der Raum zwischen Druckstock und Abdruck"Vorschau/Download
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Methode "Hintergründe. Vom Erinnern der Walzen"Vorschau/Download
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Methode "Vom Bild zum Text, und von der Freiheit dazwischen"Vorschau/Download
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